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7 Thesen zum Thema „Innovation“

Innovation ist kein Synonym für Verbesserung.
Spricht man von Innovation denkt man automatisch an Verbesserung und Fortschritt, an eine lineare Entwicklung des immer besser und perfekter Werdens. Doch diese Vorstellung ist irreführend. Denn tatsächlich ist es so, dass eine Innovation lediglich etwas „Neues“ hervorbringt, also etwas das anders ist. Ob diese Neuerung tatsächlich zum Besseren führt, ist eine ganz andere Frage, die oft erst auf den zweiten Blick beantwortet werden kann. Ich habe an einigen Fallbeispielen bereits auf die paradoxen Effekte von Optimierungen hingewiesen: Optimierungen im Einzelnen führen nicht selten zu einer Verschlechterung des Gesamtzustandes bzw. machen diese Verschlechterung überhaupt erst möglich. Es ist an der Zeit den nicht-hinterfragten Nimbus des Positiven, den wir mit Innovation verbinden, zu entzaubern. Schon allein deshalb um uns aus der Logik der linearen Entwicklung zu befreien und Innovation auch als Neuerung hin zu anderen (und dann vielleicht wirklich besseren) Wegen begreifen zu können.

Innovation ist nicht planbar.
Innovation verläuft unvorhergesehen, komplex, meist auch chaotisch. Gerade deshalb wird versucht die Unwägbarkeiten der Innovationsentwicklung durch professionelles (Projekt-)Management zu zähmen. Doch dies ist hier fehl am Platz. Vielmehr geht es beim Management von Innovationen darum, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Und die sind vor allem nicht hierarchisch und ohne das übliche Managementinstrumentarium von Planung, Steuerung und Kontrolle. Denn nur was einfach und klar im Handling ist, ist auch planbar. Für komplexe Vorgänge gilt es, sich möglichst viel Flexibilität in der Reaktion auf Ergebnisse und Erkenntnisse zu bewahren. Dies gelingt gerade nicht mit Projektplänen, starren Meilensteinen oder konkreten Ergebnisvorgaben. Es ist nur zu schaffen mit der Bereitschaft, sich auf Unvorhergesehenes und die damit verbundene Unsicherheit einzulassen. Sicherheitsstreben, geringe Fehlertoleranz und Perfektionismus reduzieren das Innovationsvermögen.

Eine Idee macht noch keine Innovation.
Im Entwickeln von Ideen sind viele Unternehmen inzwischen recht gut. Meist geschieht dies im Rahmen von gezielten Innovationsprojekten, die aus dem Tagesgeschäft herausgelöst werden. Die Schwierigkeit, die nach wie vor besteht, ist die Integration der Projektergebnisse und Innovationsvorschläge. Dafür gibt es v.a. zwei Gründe: Neue Ideen sind selten „passgenau“, d.h.  sie ersetzen nicht nur ein altes Produkt (Produktelement) oder Verfahren, sondern sie machen Anpassungen (des Produktes und/oder der Prozesse) notwendig. Somit zieht das Innovationsprojekt in der Regel weitere Projekte nach sich. Zweitens trifft eine neue Idee auf eine mehr oder minder veränderungsresistente Organisation. Dafür gibt es den Instrumentenkoffer des Change Managements. Oft genügt es aber schon, maßgebliche Vertreter der zur Umsetzung der Innovation nötigen Bereiche und Abteilungen frühzeitig und ernsthaft am Projekt zu beteiligen. Ein gut konzipiertes Innovationsprojekt denkt bereits beim Aufsetzen des Projektes an Maßnahmen zur Integration der Projektergebnisse.

Weiterentwicklungen sind einfacher als Paradigmenwechsel.
Etwas weiterzuentwickeln, also an der Veränderung einer bestehenden Sache zu arbeiten, ist vergleichsweise einfach. Es besteht eine solide Basis und es gibt in der Regel ein konkretes Problem, das behoben werden soll. Das heißt die Aufgabenstellung ist klar umrissen und eingegrenzt. Die Entwicklungen, die daraus entstehen, führen meist zu inkrementellen Innovationen, also Veränderungen, die eher klein und überschaubar sind. Bahnbrechende Neuerungen sind durch Paradigmenwechsel zu erwarten. Immer dann, wenn eine ganz neue Sichtweise auf bestehende Probleme gelenkt wird, entstehen neue Fragen und damit auch neue Lösungen. Diese Vorgehensweise ist schwer umzusetzen, da dazu gewohnte Sichtweisen hinterfragt und über Bord geworfen werden müssen. Das Gewohnte außer Acht lassen und Situationen unter einer anderen Brille betrachten, das ist eine Disziplin, die wir selten üben und die Überwindung kostet – deren Nutzen aber vielversprechend ist. Paradigmenwechsel fallen besonders den Branchen schwer, deren Mitarbeiter sich sehr stark mit „ihrem“ Produkt identifizieren. Die Begeisterung fürs eigene Produkt erweist sich als Hemmschwelle für essentielle Veränderungen dieses Produkts.

Weiterentwicklungen machen Dinge komplexer, Paradigmenwechsel klarer.
Mit jeder einzelnen weiteren Innovation wird das zugrundeliegende Produkt oder Verfahren komplexer. Immer nochmal wird etwas drangebaut, umgemodelt, verfeinert, so dass im Laufe der Zeit immer kompliziertere Produkte und Prozesse entstehen. Dem gegenüber stellt ein Paradigmenwechsel einen Neuanfang dar, den Neubeginn einer Reihe von Entwicklungen. Paradigmenwechsel geben Orientierung. Ein Paradigma wirkt wie eine Vision. Es vermittelt ein Bild, eine Vorstellung davon, was erreicht werden soll. Ein plastisches Paradigma hat inspirierende Kraft. Auch die Weiterentwicklungen stehen/standen unter einem Paradigma, nur hat dieses Paradigma inzwischen (auf dem Weg der zahlreichen Weiterentwicklungen) seine einende, erklärende und inspirierende Kraft verloren. Das Paradigma wurde durch die Einzelentwicklungen und Innovationen überdeckt.

Innovation ist kein Zustand des Übergangs, sondern permanent.
Häufig werden Innovationen als ein Zustand des Übergangs begriffen. Eine temporäre Aufgabe, nach deren Erledigung man sich wieder ums Eigentliche, ums Tagesgeschäft kümmern kann. Als käme man aus einem Zustand der Ruhe und sobald die Innovation vollzogen ist, könnte man wieder in den Zustand der Ruhe eintreten. Das ist eine völlig falsche Wahrnehmung. Innovation ist immer und überall. Es gibt keinen Zustand der Ruhe – weder in der Gesellschaft, noch im Unternehmen. Wir befinden uns in stetiger Veränderung. Unternehmen, die sich der Herausforderung permanenter Entwicklung aktiv stellen, sind erfolgreicher als andere.

Innovation ist dann am erfolgreichsten, wenn man Treiber und Getriebener ist.
Als Treiber ist man in der Lage zu gestalten, eigene Ideen zu entwickeln und auf den Weg zu bringen. Je früher man auf Umfeldfaktoren reagiert, desto größer ist der Handlungsspielraum. Je entspannter man Ideen entwickeln kann, desto höher ist die Chance wirklich neue Ideen mit hohem Innovationspotenzial zu generieren. Und doch ist es auch von Vorteil, Getriebener zu sein. Denn Getriebener zu sein, bedeutet eben auch, dass die Zeit reif ist für eine Idee. Und der Handlungsdruck, der daraus entsteht, erhöht die Bereitschaft im Unternehmen, nach neuen Lösungen zu suchen und diese auch umzusetzen. Und er mindert die Gefahr, dass gute Ideen in Schubladen vergammeln.

 

Work in progress: Diese Thesen sind eine Diskussionsgrundlage und werden von mir stetig neu überdacht, weiter ergänzt, revidiert, verbessert. Anmerkungen, Anregungen, Kritik und Ergänzungen sind sehr willkommen. 

 

Published inInnovation - gedacht, gesagt, getan