„Der Tod in Venedig“ beginnt am Aumeister, dem beliebten Biergarten im Münchner Norden. Von dort lässt Thomas Mann seinen Aschenbach über die „offene Flur“ zur Tramstation am Nordfriedhof eilen, um dem nahenden Regen zu entgehen. Thomas Mann hatte es selbst auch so gemacht. Auf seinen Spaziergängen durch den Englischen Garten nutzte er nicht selten für den Rückweg die Tram vom Nordfriedhof. Manchmal dürfte er aber auch bei seinem Freund Hans Schwegerle Unterschlupf gesucht haben, dessen Haus sich unweit des Aumeisters befand.
Schwegerle hatte 1913 sein Haus quasi auf freiem Feld erbaut in einem damals neu ausgewiesenen Baugebiet – der Gartenstadt Freimann. Heute müssen in dieser Gartenstadt die schönen alten Häuser immer mehr funktionalen, mal mehr, mal weniger hässlichen Bauten weichen. Das Atelierhaus des Bildhauers Hans Schwegerle ist noch erhalten, wenn auch in inzwischen denkbar schlechter Lage – zwischen Bahnlinie und McDonalds, zwischen Güterzuggeratter und Frittiergestank.
Und doch…
… weht einen der Hauch der Geschichte an. Die Geschichte des Hans Schwegerle (1882 – 1950), auf dessen Spurensuche ich mich gemacht habe. Seit einem Jahr stöbere ich durch seinen Nachlass, der zerrupft und zerfledert vorliegt und auf systematische Aufarbeitung gewartet zu haben scheint. Seit einem Jahr erkunde ich Werk und Leben, Schaffen und Sein des Hans Schwegerle in einem heute heruntergekommenen Atelierhaus am Rande des Englischen Gartens, in dem nicht nur Thomas Mann zu Gast war, sondern neben vielen anderen bekannten Persönlichkeiten wie Stefan George, Marie Steiner-Sievers, Mary Wigman, Hans Prinzhorn – auch ich.
Das Bild zeigt „Die Tanzende“ (1917) von Hans Schwegerle. Die Fotografie stammt aus dem Nachlass des Künstlers.
* „Beim Aumeister, wohin stillere und stillere Wege ihn geführt, hatte Aschenbach eine kleine Weile den volkstümlich belebten Wirtsgarten überblickt, […] hatte von dort bei sinkender Sonne seinen Heimweg außerhalb des Parks über die offene Flur genommen und erwartete, da er sich müde fühlte und über Föhring Gewitter drohte, am Nördlichen Friedhof die Tram […]“ (Thomas Mann: Der Tod in Venedig)