Crowdfunding ist mehr als nur Geldsammeln. Gerade unter ökonomischer Perspektive ist es höchst interessant, was im Crowdfunding passiert. Denn Crowdfunding schafft nicht nur einen Wert für diejenigen, die Projekte umsetzen wollen, sondern darüber hinaus für die gesamte Volkswirtschaft.
Normalerweise übernimmt eine Einzelperson, ein Unternehmen, eine Institution das unternehmerische Risiko eines Projektes. Oder es wird auf eine Reihe von Investoren aufgeteilt, die ihr Geld in eine Sache stecken. Sie tragen das finanzielle Risiko, dass das Projekt auch floppen kann und sie ihr Geld nicht wiedersehen. Adäquat zum Risiko muss auch die zu erwartende Rendite ausfallen. Es muss sich rechnen.
Beim Crowdfunding ist das anders: Die zu finanzierende Gesamtsumme wird in so viele kleine Stücke aufgeteilt und auf so viele Schultern verteilt, dass es gar kein Risiko mehr gibt. Nicht für den Projektanbieter und auch nicht für die Kapitalgeber. Denn jedes einzelne Kuchenstück, das verteilt wird, ist mit einem Wert hinterlegt, das zum Preis X erworben werden kann. Deshalb ist die finanzielle Beteiligung an einem Crowdfunding-Projekt keine Investition (die Rendite abwirft) und auch keine Spende (da tatsächlich adäquate physische wie ideelle Werte hinterlegt werden), sondern ein Kauf (der erst mit Erreichen der Gesamtfinanzierung realisiert wird).
Schauen wir uns dies an einem Beispiel an: Bringt ein Verlag ein Buch heraus, geht er in Vorleistung. Er legt das Geld, das für Autorenhonorar, Lektorat, Satz, Layout, Cover, Druck, sprich für alle Leistungen, die nötig sind, um aus einem Manuskript tatsächlich ein Buch zu machen, vor. Der Verlag übernimmt damit das unternehmerische Risiko, das je nach Auflagenhöhe nicht unerheblich ist. Was ein Verlag an einem Buch verdient, verdient er nicht nur (nicht einmal primär) weil er eine Leistung erbringt, sondern weil er in Vor-Leistung geht, also das unternehmerische Risiko trägt. Er investiert Geld, von dem er nicht weiß, ob er es jemals wiedersieht. Werden die Kosten eines Buchprojekts nun über Crowdfunding finanziert, wird das unternehmerische Risiko auf so viele Köpfe aufgeteilt, dass es gar kein Risiko mehr gibt. Das Risiko selbst wird dabei nicht nur auf viele verlagert, sondern tatsächlich ausgeschaltet. Denn für jeden Einzelnen, der sich an der Projektfinanzierung beteiligt, besteht kein Risiko sein Geld zu verlieren. Zum einen gibt der Finanzier – wie auf jeder ernstzunehmenden Crowdfunding-Plattform üblich – vorab lediglich sein verbindliches „Kauf“-Versprechen ab, das erst zum Tragen kommt, wenn die Gesamtfinanzierung erfolgreich war. Vorher fließt also gar kein Geld. Damit wird die Gefahr von Finanzierungslücken, die das gesamte Projekt und damit das finanzielle Engagement des Einzelnen gefährden könnten, eliminiert. Zum anderen bekommt der Finanzier im Erfolgsfall die versprochene Gegenleistung – nehmen wir der Einfachheit halber an: ein Exemplar des finanzierten Buches. Kommt die Projektfinanzierung nicht zustande, muss er leider auf das Buch verzichten. Ein ideeller Verlust, wo der Verleger einen realen erlitten hätte.
Also während im Fall der Vorfinanzierung eines Buches durch einen Verlag eine höhere Marge erwirtschaftet werden muss, da es sich um die Tragung eines tatsächlichen Risikos handelt, ist die Vorfinanzierung durch eine Community kostenlos, da in diesem Modell niemandem ein Risiko entsteht. Damit schafft das Modell des Crowdfundings letztlich einen volkswirtschaftlichen Wert. Und wie werthaltig Mechanismen der Risikobewältigung sein können, lässt sich am Beispiel der staatlichen und privatwirtschaftlichen Versicherungsmodelle erahnen, die sich über Jahrhunderte bewährt haben.